
26 Apr Sind wir Feministinnen?
Meg Wolitzers Roman Das weibliche Prinzip klingt wie ein Sachbuch, ist aber eigentlich ein seichter Roman über die feministische Emanzipation einer jungen Frau. Die Autorin wirft wichtige Fragen über Macht und Machtmissbrauch auf – das wirkt angesichts von #MeToo und Time’s up aber eigentümlich schwach.
In Meg Wolitzers Roman Das weibliche Prinzip geht es in erster Linie nicht um Feminismus, sondern um Macht. Der Roman stellt die zentrale Frage, wie Menschen und insbesondere Frauen heute zu Macht gelangen können. Sind Frauen in Machtpositionen genauso anfällig für Machtmissbrauch wie Männer? Und was passiert, wenn ein Mensch seiner Macht auf einmal beraubt wird? Diese Fragen stellt Meg Wolitzer in einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten einen Präsidenten haben, der mit sexuellen Übergriffen angibt und dutzende Frauen Harvey Weinstein der sexuellen Übergriffe und Vergewaltigungen beschuldigen. Nicht zuletzt deshalb bezeichnet Maren Keller Das weibliche Prinzip im Spiegel als „den Roman zur #MeToo-Ära“. In dieses Schlachtfeld hinein veröffentlicht Meg Wolitzer die Geschichte der jungen Frau Greer Kadetsky. Die zurückhaltende und ehrgeizige Greer hatte sich eigentlich aufs Studieren gefreut, doch angekommen am College ist sie frustiert und traurig. Sie vermisst ihren Freund Cory, der im weit entfernten Princeton studiert. In der Schule waren sie die Klassenbesten und wollten gemeinsam an einer Eliteuniversität angenommen werden. Doch im Gegenstatz zu ihrem selbstbewussten Freund hat Greer dauerkiffende Eltern, die nicht in der Lage sind, einen Antrag auf finanzielle Unterstützung richtig auszufüllen. Anstatt an einer Eliteuniversität zu studieren, landet Greer nun frustriert in einem mittelmäßigen College in Ryland. Von Beginn an ist die Beziehung zwischen Greer und Cory nicht nur von Liebe, sondern auch von einem Konkurrenzkampf um die besten Noten, das beste College und den besten Job gepägt. Cory liegt nun vorne.
„Ich will nicht dieser beschädigte Mensch sein“, sagte Greer mit erstickter Stimme und abgewandtem Gesicht.
„Bist du auch nicht. Du bist absout okay.“
„Meinst du? Ich bin so still! Ich bin immer die Stille gewesen.“
„Ich habe mich in deine Stille verliebt“, sagte er zu dem kleinen blauen Farbtupfer in ihren Haaren. „Aber du hast auch viele andere Seiten.“
„Glaubst du wirklich?“
„Aber sicher. Und das werden auch andere Leute erkennen. Ganz bestimmt.“ – S. 116
Am College lernt Greer die queere feminisitische Aktivistin Zee kennen. Zee wird zwar ihre Freundin, ist von Meg Wolitzer aber ebenso wie Cory auch als Konkurrentin konzipiert. Gemeinsam besuchen Greer und Zee eine Party, auf der Greer einen sexuellen Übergriff erleben muss. Bald stellt sich heraus, dass sie nicht die einzige Frau am College ist, die von dem Mann begrabscht worden ist. Schlagartig kommt Greers feministisches Erwachen. Als sie mit Zee einen Vortrag der Feministin Faith Frank besucht, findet Greer in der Gloria-Steinem-haften Ikone des weißen Mittelklassen-Feminismus ihr Vorbild. Umgekehrt findet auch die über 60-Jährige Faith Frank Gefallen an Greers Intelligenz und Ehrgeiz. Als Faith Frank einige Zeit später eine Stiftung für die Interessen von Frauen gründet, stellt sie Greer ein.
Greers Hand schoss in die Höhe. Ihr Arm zitterte gefährlich, aber sie hielt ihn aufrecht. Sie wollte eigentlich keine Frage stellen, sondern handelte in dem Drang, einen Kontakt zu Faith Frank herzustellen, bevor es zu spät war. – S. 43
Greer Kadetsky und Faith Frank streben beide nach der Gleichberechtigung der Frauen. Während Faith Frank mit ihrer feministischen Zeitschrift Bloomer den Anschluss an die junge Generation und das digitale Zeitalter verliert, verkörpert Greer den jungen Feminismus der Millennials. Meg Wolitzer stellt die zweite Welle des Feminismus mit den Positionen des jungen Feminismus gegenüber. Doch bei beiden Frauen werden Moral und feministischer Zusammenhalt Opfer von Ehrgeiz und Machtstreben. Faith Frank lässt sich, nachdem ihre Zeitschrift eingestellt wurde, eine Stiftung von einem ehemaligen Liebhaber (ein Millionär mit fragwürdigem Ruf) schenken und hält wohlfühl-feministische Kongresse ab, auf denen Schauspielerinnen Reden halten und feine Häppchen serviert werden. Greer hingegen macht Karriere, aber nicht ohne die Laufbahn ihrer Freundin Zee zu behindern. Cory geht den umgekehrten Weg: Er kündigt seinen Job als Consultant in Manila und geht zurück nach Hause, um sich um seine kranke Mutter zu kümmern. Er wird zur stereotypischen feministischen Idealvorstellung eines Hausmannes. So liest sich der angenehm auserzählte Roman gefällig dahin. Die wichtigen Fragen über Macht und Machtmissbrauch, die Meg Wolitzer anhand ihrer Protagonistin aufwirft, versickern jedoch irgendwo zwischen den Seiten, während sie in der Realität viel intensiver und gewaltiger diskutiert wurden und weiterhin werden.
Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip. Aus dem amerikanischen Englischen von Henning Ahrens. DuMont 2018. 496 Seiten. 24 €.
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